Dienstag, 15. September 2009

Aus dem Spanien der Inquisition

Christa Ludwig
Carlos in der Nacht
ab 13 Jahren, 352 S., geb. mit Schutzumschlag, ISBN-10: 3-7725-1545-2, ISBN-13: 978-3-7725-1545-3, 14,90 EUR
Vier Menschen, ein Jagdhund und ein wahrhaft königliches Pferd spielen im Leben des jungen Carlos die wichtigste Rolle. Durch die Schilderung gegensätzlichster Gefühle und vielfältigster Sinneswahrnehmungen lässt Christa Ludwig ein intensives Bild vom Spanien der Inquisitionen und Autodafés, der steifen höfischen Zeremonien und der großen Sehnsucht nach Freiheit entstehen. Es ist ein Stück europäischer Geschichte, wie man es eindrucksvoller kaum erleben kann.
Was ist das für ein Gefühl, eingezwängt zu sein in ein widernatürliches höfisches Kostüm, mit so vielen Knöpfen und Bändern, dass man sie allein kaum lösen kann? Carlos, der Infant, dem mit seinen wenigen Jahren schon mehr Macht gegeben ist als den meisten, erlebt an sich selbst, in seinem Körper nur tiefste Ohnmacht. Und solch einer wie er, schief und bucklig, von Albträumen und Fallsucht geplagt, soll auf einem großen Pferd reiten, mitten durch die aufgewühlte Menschenmenge bei einem Autodafé! Nur wenn Rodrigo, der heiß geliebte Freund, ihm hilft, kann das gehen. Aber der schöne Page hat sich in ein gar nicht höfisches Mädchen verliebt …
Leseprobe: «Prinz», rief Mariluz, «haltet Euch mit einer Hand in der Mähne, aber kümmert Euch nicht um das Pferd. Schaut nur auf Rodrigo.» «Das tue ich», sagte Carlos. «Immer.» Seine kleine magere Hand griff eine schwarze Strähne von Yo el Reys Mähne, seine Augen blieben bei Rodrigo. «Fang an», flüsterte Mariluz, «du brauchst mich nicht.» Rodrigo bewegte nur die Hände. Yo el Rey trabte an. Da geschah etwas mit Carlos. Er machte ja, was er am liebsten tat, er schaute auf Rodrigo, seine Augen hafteten an dem Freund, es gab keine Entfernung zwischen den beiden, Carlos nahm jedes Winken von Rodrigos Hand sofort in seinen Körper, und das Gleiche tat Yo el Rey. So bewegten sie sich in vollkommenem Gleichmaß. Aber Carlos ritt hier nicht ein Pferd, er klebte an seinem Freund und er glühte vor Glück.

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