Donnerstag, 30. April 2009

Blind durch die ganze Welt

Jason Roberts
Die ganze Welt im Sinn - Wie der blinde James Holman zum größten Reisenden der Geschichte wurde
gebunden mit Schutzumschlag, 496 S. mit Abbildungen, ISBN: 978-3-89667-372-5, € 21,95 [D], € 22,60 [A], CHF 38,90
England 1811. Als Kind hatte er davon geträumt, die ganze Welt zu sehen, als Zwölfjähriger trat er in den Dienst der Royal Navy. Kaum erwachsen geworden, erblindet James Holman vollständig. Doch anstatt sich in das Schicksal eines bettelnden Invaliden zu fügen, erfüllt er sich seinen Traum und schreibt Geschichte. Auf sich allein gestellt bereist Holman sämtliche Kontinente und avanciert zur herausragenden Figur des ausgehenden Entdeckerzeitalters. Obwohl er sie nicht sehen konnte, erlebte James Holman so viel von der Welt wie kaum ein Mensch vor ihm. Er bestieg den Vesuv während eines Ausbruchs und erfror beinahe in sibirischer Gefangenschaft, er jagte wilde Elefanten auf Ceylon und Sklavenhändler vor der afrikanischen Küste. Anderthalb Mal umrundete Holman den Globus, der Schiffsjunge aus Exeter wurde gefeierter Autor, respektierter Wissenschaftler und Günstling des britischen Königshauses, der Charles Darwin und Richard Burton zu seinen Bewunderern zählte. Zu einer Zeit, da die Weltkarten noch mehr weiße Flecken als gesicherte Erkenntnisse aufwiesen, nahm der »Blinde Reisende« stoisch jede Strapaze auf sich, um per Schiff, zu Pferde und vor allem zu Fuß das Unbekannte und Entlegene zu erkunden. Wo andere zeitgenössische Entdecker verdreckte Wilde, exotische Käferarten und unbenannte Berggipfel vorzufinden meinten, lernte Holman fremde Sprachen, Freunde fürs Leben und sich selbst kennen. – Die Sehnsucht nach Freiheit und Individualität, eine einsame Seele, die sich wider alle Vernunft einen Weg bahnt: Mit seinem international erfolgreichen ersten Buch legt Jason Roberts nicht nur eine einfühlsame und erstaunliche Biografie vor, sondern auch ein tiefenscharfes Panoramabild der Romantik.
Rezension Deutschlandfunk (Auszug): " ... Juni 1821. Der Vesuv schleudert Felsbrocken, Lava und Asche aus seinem Krater. In der Luft dampft Schwefelgeruch. James Holman steht am Rand des Kraters und stochert mit dem Gehstock in der heißen Erde. Der Mann ist blind - und völlig unerschrocken. Erst als ihm die Hitze beinahe die Schuhsohlen verbrennt, kehrt er mit seinen Begleitern um. Einige Kilometer den Berg hinab erreichen sie die Klause eines Eremiten, und Holman notiert in das Gästebuch: "Der Hindernisse gibt es vielerlei - doch weder find ich sie, noch ruf ich sie herbei."
Schon in der ersten Szene von Jason Roberts' Buch wird klar, dass diese Geschichte voller Abenteuer und schier unglaublich ist. Aber sie ist wahr. James Holman, 1786 als Sohn eines Apothekers im Südwesten Englands geboren, beginnt mit zwölf Jahren seine Karriere in der Royal Navy. Als er 25 Jahre ist, muss er wegen anhaltendem Rheuma den Dienst quittieren. Doch es kommt schlimmer: Während einer Kur bekommt Holman Augenschmerzen und erblindet innerhalb weniger Wochen. Alle Versuche der Heilung schlagen fehl - und Jason Roberts beschreibt ohne Pathos, wie sich Holman mit Tast- und Gehörsinn die Welt neu erschließen muss ... " Zur Rezension

Mittwoch, 29. April 2009

Jiddu Krishnamurti

Jiddu Krishnamurti
Du bist die Welt - Reden und Gespräche
fischer-TB, 160 S., brosch., ISBN 978-3-596-14480-8, € (D) 8,95, € (A) 9,20, SFR 16,80
Jiddu Krishnamurti war ein Redner, der sich auf unvergleichliche Weise auf die Kunst des Vortrags und des Dialogs verstand. Inhalt seiner Vorträge und Diskussionen waren nicht philosophische Theorien, sondern aktuelle Menschheitsfragen, Fragen von Krieg und Frieden, von Natur und Kultur, von Gegenwart und Zukunft. Krishnamurti war ein zutiefst skeptischer Denker. Sein Vertrauen in den Menschen als Gattung war nicht sonderlich groß. Zumal in seinen letzten Jahren warnte er, angesichts von Natur- und Menschenvernichtung, von Übertechnisierung und Massenkonsum und der ungerechten Verteilung von Reichtümern auf der Welt, vor der drohenden Menschheitskatastrophe. Er wurde nicht müde, zur Besinnung und zur Änderung unserer oberflächlichen Auffassung vom Menschen aufzurufen. Krishnamurti vermittelt uns eine an keinem Ideal und an keiner Tradition orientierte, lebensnahe »Kunst des Lernens«, die zur Weltoffenheit führt und dem Menschen ein Zusammenleben in Freiheit möglich macht.
" ... Ganz gleich, ob wir uns Kommunisten oder Kapitalisten, Hindus oder Buddhisten, Moslems oder Christen nennen, ob wir blind, gelähmt oder gesund und glücklich sind - diese Erde ist unsere Erde.
Verstehen Sie das? Es ist unsere Erde, nicht die von irgendjemand anderem, es ist nicht nur die Erde der Reichen, und sie gehört nicht nur den mächtigen Herrschern und Grundbesitzern, sondern es ist unsere Erde, Ihre und meine.
Wir sind unbedeutende Leute, und doch leben wir auch auf dieser Erde, und wir alle müssen zusammen leben. Die Welt gehört den Armen ebenso wie den Reichen, den Analphabeten genauso wie den Gebildeten. Es ist unsere Welt, und ich denke, dass es sehr wichtig ist, das zu fühlen und die Erde zu lieben ... " Jiddu Krishnamurti Gesprächskreis Stuttgart

Welt-Weisheit in deutscher Sprache - Historisches

Josef Bordat
Förderer der deutschen Sprache - Start einer Serie auf LEO ("lingua et opnio")
Unsere deutsche Muttersprache hat viele Väter. Sie haben jeder auf seine Weise die deutsche Sprache gefördert und geprägt. Immer in Konkurrenz mit anderen Sprachen wie Latein oder Französisch hat die deutsche Sprache eine spannende Geschichte hinter sich. LEO hat sich auf die Spuren begeben und ist dabei interessanten Persönlichkeiten begegnet.
Christian Wolff entwickelt zur Zeit der Aufklärung Grundbegriffe der Philosophie in der Volkssprache und trägt damit dem Bildungsideal seiner Epoche Rechnung
Der deutsche Universalgelehrte, Jurist und Mathematiker Christian Wolff (geboren 1679 in Breslau, gestorben 1754 in Halle) ist einer der wichtigsten Philosophen aus der Zeit zwischen Leibniz und Kant. Niemand verkörpert das Anliegen der Aufklärung in Deutschland besser. Wolff gilt als derjenige, der das von Leibniz errichtete philosophische System aufgriff und dessen Thesen zur Metaphysik und Ethik verbreitete. Dazu ordnet er Leibnizens disparates Gedankengut und kleidet es in ein strengeres terminologisches Gewand. Wolff bereitet so die reiche Ideenwelt des letzten Universalgenies Leibniz für die akademische Lehre auf und macht sie allgemein verständlich für die interessierte Öffentlichkeit verfügbar. Das Motiv dieses Vorgehens lässt sich mit einem Wort benennen: Bildung ...
... Wolff stärkte die deutsche Sprache, indem er als einer der ersten Philosophen einen großen Teil seines Werks auf Deutsch publizierte und seit 1707 in Halle Vorlesungen in deutscher Sprache hielt, da er der Meinung war, dass „unsere Sprache zu Wissenschafften sich viel besser schickt als die lateinische“ ... Zum Artikel

Das sind die Mitglieder der LEO-Redaktion

Sonntag, 26. April 2009

Kurze Geschichte des Lesens

"Im Urbeginne war das Wort" (Joh 1:1)
Dann wurde das Wort Schrift

Lesender, um 1300 v. Chr., Neues Reich, Ägypten
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Lorenzo Costa, Maria Verkündigung - Lesende Maria
Gemäldegalerie, Dresden, Holz, 61 X 62 cm
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Albrecht Dürer, Hieronymus im Gehäus, 1514
Kupferstich, © Albertina, Wien
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Pablo Picasso, La lecture, fond rouge (1953)
Großes Bild: OPP.53:199








Kurzer, geschichtlicher Abriß auf Volkslesen

Freitag, 24. April 2009

Kindern in Not helfen

Anlaufstellen und Sicherheitskurse für Kinder
Die Kelly-Inseln sind sichere Anlaufstellen in einer Stadt oder Gemeinde. Das Logo in den Geschäften, kirchlichen und öffentlichen Einrichtungen signalisiert Kindern, dass sie hier Hilfe bei großen oder kleinen Problemen bekommen können.
Zum Beispiel Esslingen, Baden-Württemberg: Kinder können in ungewohnte und auch gefährliche Situationen geraten. In einem Sicherheitskurs erlernen sie kindgerecht und spielerisch, wie man Gefahren frühzeitig erkennt und richtig reagiert. Dabei steht Selbstbehauptung im Vordergrund. Erfahrene Trainerinnen und Trainer, die im Arbeitskreis Gewaltprävention bei der Polizei (nicht nur in) Esslingen mitwirken, leiten die Kurse nach bestimmten Qualitätsstandards, wie vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg empfohlen. Die Kurse sind altersgerecht ab dem Vorschul- und Grundschulalter aufgebaut.
Kelly-Inseln existieren derzeit nicht nur im Kreis Esslingen, sondern auch bereits in anderen Kommunen Deutschlands: Aichtal - Aichwald - Altbach - Altenriet - Baltmannsweiler - Bempflingen - Beuren - Deizisau - Denkendorf - Dettingen unter Teck - Erkenbrechtsweiler - Esslingen am Neckar - Filderstadt - Frickenhausen - Hochdorf - Kirchheim unter Teck - Kohlberg - Köngen - Leinfelden-Echterdingen - Lichtenwald - Neckartailfingen - Neckartenzlingen - Neuffen - Neuhausen auf den Fildern - Notzingen - Nürtingen - Oberboihingen - Ostfildern - Plochingen - Reichenbach an der Fils - Weilheim an der Teck - Wendlingen am Neckar - Wernau - Wolfschlugen. Außerdem noch in: Duderstadt - Igersheim - Illertissen - Korb - Lindau - Schönberg - Singen - Tauberbischofsheim - Waiblingen - Weinstadt - Wertheim
Auf den Webseiten der Kelly-Inseln findet ihr weitere, hilfreiche Informationen

Donnerstag, 23. April 2009

Cannabis - Booklet "Grasfrei - nur für heute", kostenlos als PDF


Kann denn Cannabis überhaupt so gefährlich sein und auch abhängig machen?
Ja. Cannabis macht heutzutage genau so abhängig wie Alkohol.
Gezielte Züchtungen haben dazu geführt, dass die Droge seit den 80er Jahren sehr viel stärker geworden ist.
So enthielt jamaikanischen Gras im Durchschnitt 2,3 % THC (1976), Gras von 1999 aus den Niederlanden 9% und heutzutage (2003/2004) enthält es durchschnittlich 20%. Würde man den Wirkstoffgehalt THC mit dem Alkoholgehalt eines Getränks vergleichen, so entspräche das Marihuana von 1970 einem Glas Bier, das Marihuana von heute der gleichen Menge Wodka. Inzwischen (2008) wird immer wieder von vereinzelt extrem hohen THC–Werten berichtet (bis über 50%), allerdings sind die Durchschnitts-THC-Werte bei Kontrollen in niederländischen Coffee Shops wieder gesunken von 20% (2004) auf 16% (2007).
Die Ergebnisse neuerer wissenschaftliche Studien zeigen auch deshalb immer stärker beträchtliche gesundheitliche Gefahren auf. Neben einem erhöhten Psychose-Risiko treten oftmals Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Schwung- und Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Depressionen sowie auch Persönlichkeitsveränderungen, Angst- und Erregungszustände, Suizidneigung, Verwirrtheitszustände, Verfolgungsideen und Aggressivität auf, die selbst dann, wenn sie schon massive Beschwerden verursachen, nicht mit dem Cannabiskonsum in Verbindung gebracht werden.
Ein weiteres Problem ist das frühe Einstiegsalter, das z.T. bei 13 Jahren und darunter liegt. Die Langzeitfolgen dieses frühen Konsums, seine Auswirkungen auf das sich noch in der Entwicklung befindende Gehirn, sind noch weitgehend unerforscht. Als sicher gilt mittlerweile, dass sich das Risiko des Ausbruchs einer Psychose mit jungem Einstiegsalter und hohem Konsum stark erhöht -

Dienstag, 21. April 2009

Humboldt-Jahr 2009: 150. Todestag am 6. Mai

Alexander von Humboldt, Oliver Lubrich (Hrsg.)
Das große Lesebuch
Fischer Taschenbuch Verlag, 352 S., brosch., ISBN 978-3-596-90162-3, € (D) 13,50, € (A) 13,90, SFR 24,90
Der große Naturforscher und Reiseschriftsteller Alexander von Humboldt erlebt seit einigen Jahren eine erstaunliche Renaissance. Wissenschaftlich und literarisch zugleich, lassen uns seine Schriften staunen über den Reichtum der Natur, und sie wecken die Sehnsucht nach einem Verständnis fremder Kulturen. Dieses attraktive Lesebuch, herausgegeben von dem Humboldt-Kenner Oliver Lubrich, bietet eine repräsentative Auswahl aus dem Gesamtwerk, mit ausnahmslos ungekürzten Texten im originalen Wortlaut.
»Er ist sicher eine der merkwürdigsten Naturen, die es je gegeben hat«, schrieb sein Bruder Wilhelm von Humboldt im Jahr 1817. Seine Reisen finanzierte er selbst. Forschen hieß für ihn selbst erleben, selbst erfahren, selbst erleiden. In Lateinamerika gilt er als Freiheitsheld und »wahrer Entdecker« des Kontinents, in Europa als letzter großer Universalgelehrter, in Deutschland als größter Forschungsreisender der Nation ... Umfangreiche Informationen zu Alexander von Humboldt auf dem Humboldt-Portal

Montag, 20. April 2009

Internationale Freiwilligendienste: Konferenz "und jetzt?" (siehe auch Video - einfach abwärts scrollen)

undjetzt?! - Forum für internationale Freiwillige und ihre Erfahrungen

Mit undjetzt?! öffnen wir das Forum für internationale Freiwillige und ihre Erfahrungen. Titel der Rückkehrerkonferenz ist zugleich Programm: „und jetzt?!“

- 5 Tage Austausch, Begegnung und Projekte mit

- bis zu 250 TeilnehmerInnen, die sich entwicklungspolitisch und zivilgesellschaftlich engagieren,

- 20 WorkshopleiterInnen, die ihre Expertise an junge Leute weitergeben möchten,
- 10 VortragsrednerInnen, die zur Auseinandersetzung mit interessanten Themen einladen.

Das Organisationsteam der Konferenz besteht aus jungen Leuten, die selber Erfahrungen in Freiwilligendiensten gesammelt haben und diese als Grundlage für die Vorbereitung nutzen. Eine Konferenz von Freiwilligen für Freiwillige.

Du hast dich mindestens sechs Monate freiwillig in einem so genannten Entwicklungsland engagiert. Du bist bereits seit einiger Zeit zurück in Deutschland, machst eine Ausbildung, studierst oder stehst schon im Berufsleben. Neben all dem willst Du an Deine Erfahrungen und Ideen aus dem Freiwilligendienst anknüpfen oder bist schon aktiv. engagierst dich bereits.
Dann bist Du bei der undjetzt?!-Konferenz genau richtig ... Konferenz-Homepage

Montag, 13. April 2009

100 Menschen packen ihren "letzten" Koffer

Einmal Jenseits und zurück - Ein Koffer für die letzte Reise
Herausgegeben von Fritz Roth
Gütersloher Verlagshaus 2008, 224 S. mit zahlr. farb. Fotos Klappenbr., ISBN 978-3-579-03251-1, EUR 19,95 [D], EUR 20,60 [A], SFr 34,90
Den Koffer packen für die letzte Reise. Ein Projekt des Trauerbegleiters Fritz Roth.
Der unkonventionelle und bekannte Trauerbegleiter Fritz Roth hat 100 Menschen einen Koffer zugeschickt mit der Bitte, diesen für ihre letzte Reise zu packen. Die Adressaten waren Frauen und Männer, alt und jung, Künstler und Handwerker, Prominente und Nicht-Prominente. Ein Anliegen dieser Aktion war es, sich zu besinnen: auf die Endlichkeit jeden Lebens, auf die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod, auf das, was jedem/jeder Einzelnen wichtig ist. Die Inhalte der Koffer sind so vielfältig wie die Menschen und ihre Biografien, ihre Träume und Weltanschauungen. Dieses ungewöhnliche Buch bildet die Koffer zusammen mit einem Foto und persönlichen Briefen der jeweiligen Person ab. In der Gesamtschau ergibt sich ein berührendes, faszinierendes Bild dessen, was uns wirklich nahe ist - oder dessen Nähe wir uns wünschen. Buchvorstellung und Eröffnung der Wanderausstellung am 19. Mai im "Haus der menschlichen Begegnung" in Bergisch Gladbach. Mitgemacht haben u.a. Franz Alt, Alexander von Schönburg, Gerd Scobel, Susanne Fröhlich, Purple Schulz und viele mehr.

Warum unsere Gesellschaft behinderte Menschen braucht

Peter Radtke
Der Sinn des Lebens ist gelebt zu werden - Warum unsere Gesellschaft behinderte Menschen braucht
Verlag Sankt Michaelsbund 2007, 192 S., fest geb., ISBN 978-3-920821-98-6, € (D) 12,90, € (A) 13,30, SFr 19,00
Dieses schmerzhaft genaue Buch enthält Aufsätze und Vorträge von Peter Radtke. Selbst schwer behindert, denkt er nach über den Begriff der Normalität. Er will wissen, was Selbstbestimmung für Menschen mit einer Behinderung bedeuten kann. Besonders engagiert setzt er sich mit der pränatalen Diagnostik und der Palliativmedizin auseinander. Die Begriffe „Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmung“ werden ebenso thematisiert wie „Ethik in der Medizin“ oder „Zeit und Raum aus der Sicht behinderter Menschen“. Leidenschaftliche Plädoyers mischen sich mit nachdenklichen, einfühlsamen Kommentaren und Beschreibungen. In diesem Buch werden Fragen der Ethik neu verhandelt - nein, nicht verhandelt, sondern klargestellt. Wer dieses Buch gelesen hat, sieht behinderte Menschen mit anderen Augen an als bisher. Und er wird dem Autor beipflichten: „Die Gesellschaft braucht den Behinderten, um sich die Frage stellen zu können: Was ist der Mensch? „Einen Augenblick nicht auffallen, einen Augenblick wie die anderen sein: Fisch unter Fischen. Die Heringsschwärme ziehen nach Süden. Ein einziger Fisch, der nach Norden strebt“ (Peter Radkte).

Leseprobe: " ... Wenn ich versuche, eine Antwort darauf zu geben, warum unsere Gesellschaft behinderte Menschen braucht, so handelt es sich beim Objekt meiner Überlegungen um zwei Pole, die mir gleich wichtig sind: Um Menschen, die eine Behinderung aufweisen, und um die Gesellschaft als Ganzes, das heißt die Pluralität einer Gemeinschaft, in welcher das behinderte Individuum nur ein Mosaikstein unter anderen ist, allerdings ein unentbehrlicher, wie ich fest überzeugt bin. Um meine Haltung begreifl ich zu machen, möchte ich zuerst von jenen Erfahrungen und Erlebnissen berichten, die zu meiner heutigen Einstellung beigetragen haben.
Da war zunächst einmal vor vielen Jahren ein Religionslehrer. Durch einen schlimmen Unfall wurde er querschnittgelähmt und war seither – in diesem Sonderfall sei mir ausnahmsweise der nachfolgende Ausdruck erlaubt – an seinen mächtigen Elektrorollstuhl gefesselt … Eines Tages hörte ich diesen Mann einen Vortrag halten, der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen sollte. Er führte, vielleicht in überzogener, aber doch überzeugender Weise, seinen Zuhörern vor Augen, dass der geistig behinderte Mensch in Wirklichkeit all jene Tugenden und Qualitäten in sich vereine, die wir beim mehr oder minder nichtbehinderten Zeitgenossen meist vergeblich suchen: Toleranz, Spontaneität, Ungekünsteltheit, Fehlen von Konkurrenzdenken, belassen wir es bei diesen Werten ...
... Ich bin Schriftsteller, Schauspieler, Akademiker, hauptamtlicher Redakteur einer Fernsehsendung und einiges andere mehr. Aber wenn ich irgendwo zitiert werde, wenn ein Artikel über mich in der Presse erscheint, heißt es in der Regel stets »der Behinderte«, »der Schwerbehinderte«, »der Schwerstbehinderte«. Es ist dies ein ganz typisches Phänomen, nicht nur bei mir, sondern bei Menschen mit einer Behinderung allgemein. Neben allen anderen Eigenschaften, und zum Großteil sie überlagernd, steht eben die Behinderung. Sie färbt alle Aussagen, welche über die Person gemacht werden, selbst dort, wo sie von keinerlei Belang wäre. Dem entspricht dann auch die sprachliche Gepflogenheit, das substantivierte »der Behinderte« oder »die Behinderten« zu verwenden statt eine Wendung wie »der behinderte Mensch«, »der behinderte Bürger« oder »Menschen mit einer Behinderung« ...
... Es steht außer Zweifel – und ich muss es hier bewusst krass formulieren – der so genannte Nichtbehinderte betrachtet den behinderten Mitmenschen als eine Art Fehlmuster der Natur. Wie sonst ließe sich das Bemühen erklären, eben diese Natur zu überlisten, indem man gewissermaßen vor dem Produktionsausstoß die defekten Stücke analysiert, sie aussondert und auf diese Weise gar nicht erst in den Handel kommen lässt. Auch deuten sich bereits Möglichkeiten an, bei nachweislich fehlerhafter Konstruktionszeichnung das ganze Modell einzuziehen oder durch Korrekturen des Plans den Ist-Zustand dem Soll-Zustand anzupassen. Man verzeihe mir diese zugegeben despektierliche Ausdrucksweise. Die Form, mit der man, zumindest in Deutschland, Fragen genetischer Beratung, des Schwangerschaftsabbruchs oder der Gentechnologie behandelt, legt jedoch in der Tat den Vergleich mit Massenprodukten nahe. Kinder werden gewissermaßen gegen Bestellschein angefordert und, wenn sie den Erwartungen nicht entsprechen, kommentarlos zurückgeschickt. Wer Ausschussware (sprich: behinderte Nachkommenschaft) entgegen wohlgemeinter Ratschläge der einschlägigen Fachleute behält, ist an seiner Misere selber schuld und soll sehen, wie er mit der Belastung fertig wird ...
... Immer wieder betone ich, dass es meiner Auffassung nach keine eigentlichen Behindertenprobleme gibt. Die Probleme behinderter Menschen sind allgemein menschliche Probleme. Dadurch, dass sich der von Behinderung Betroffene ihnen quasi unausweichlicher als der so genannte Nichtbehinderte stellen muss, werden sie in einer Art Brennglas gebündelt. Prinzipiell gilt dies nun auch für das Menschsein. Ich glaube, die Gesellschaft braucht den Behinderten, um sich die Frage stellen zu können: Was ist der Mensch? Nur hier findet sie einen Ansatz, der nicht verbaut wird durch Nebensächlichkeiten. Je mehr der Suchende seine eigene Position erschüttert sieht, je bereitwilliger er sie sich erschüttern lässt, desto fruchtbarer kann die Analyse werden ... "

Dr. phil. Peter Radtke, geb. 1943. Sohn einer Krankenschwester und eines Schauspielers. Da die Volksschule ihn nicht aufnahm, wurde er privat unterrichtet. Nach einer Dolmetscherausbildung Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg. Germanistik/Romanistik-Studium. Fachgebietsleiter für das Behindertenreferat der Münchner VHS. Geschäftsführer und Chef-Redakteur der Arbeitsge­meinschaft Behinderung und Medien. Schriftsteller und Schauspieler (u.a. Münchner Kammerspiele, Burgtheater Wien, Film). Präsident von EUCREA. Radtke ist Träger vieler Kulturpreise sowie des Bundesverdienstkreuzes. Mitglied des Nationalen Ethikrates, seit 2008 im Deutschen Ethikrat. Peter Radtke lebt – seit 2008 im Ruhestand – in München.

Sonntag, 5. April 2009

Sehnsucht nach dem Meer

Ruth Wyneken
Ein Fisch vergiesst keine Tränen - Russische Erzählungen rund ums Meer
edition ebersbach, 128 S., Halbleinen, ISBN 978-3-938740-02-6, EUR 14,00 (D), 14,40 (A), SFr 25,30
Bewegtes Wasser, sei es nun Ozean, Meer oder Fluss, gilt als der Ursprung allen Lebens, als Bild für Lebendiges schlechthin. Dennoch kann Wasser in seiner Wirkung jäh umschlagen und zur Urgewalt der Vernichtung werden, angesichts derer die Menschen klein und hilflos dem Element ausgeliefert sind. Zwischen diesen beiden extremen Polen, der Kraft des Lebens und der Kraft der Zerstörung, erlebt der Mensch die Naturgewalt Wasser – und versucht, ihr Geheimnis zu ergründen. Da Russland aufgrund seiner geographischen Lage in gigantischen Ausmaßen von der Erde bestimmt ist, auch wenn es von riesigen Flüssen wie von Wasseradern durchzogen wird, hat das Meer eine existentiell wichtige Bedeutung. So manche altrussische Legende erzählt vom Wasser, das rettend eine Stadt vor dem Ansturm der Feinde bewahrte, oder Meer und Fluss werden zu hochdramatischen Wendepunkten verknüpft, die über Leben und Tod entscheiden. Das Meer gilt für russische Erzähler als Bild der untergründigen, rätselhaften Strömungen der menschlichen Seele, aber auch – da vom Menschen und erst recht von der alles beherrschenden Staatsmacht unbezähmbar – als wichtiges Symbol der Freiheit und Hoffnung oder in seiner Umkehrung als gefrorenes Wasser, als Bild der Unfreiheit und Stagnation. - Eine Sammlung mit russischen Erzählungen und Gedichten von Michail Lermontov, Fjodor Tjuttschew, Anton Tschechow, Andrej Platonow, Joseph Brodsky, Alexander Solschenizyn, Andrei Makine, Alexander Ikonnikow, Alexander Puschkin.

Ruth I. Wyneken - Autorin, Übersetzerin, Dozentin für Dramaturgie, Berlin - liest Maximilian Woloschin: "Beschwörung der russischen Erde" - YouTube
Maximilian Woloschin (1877-1932) ist einer der bedeutendsten, hier aber auch unbekanntesten Dichter des "Silbernen Zeitalters" der russischen Lyrik. Als der erste Weltkrieg ausbrach, gehörte Woloschin zu denen, die die Sinnlosigkeit des Krieges anprangerte. So wenig er sich politischen und ideologischen Positionen zuordnen ließ, so sehr fühlte er sich einer grenzüberschreitenden Mitmenschlichkeit verpflichtet - VolksLesen

Ruth Wyneken liest aus "Igelchen im Nebel" von Jurij Norstejn und Sergej Kozlov. Die Illustrationen sind von Francesca Jarbusova. In Russland kennt jedes Kind das Buch und den Trickfilm. Sie hat das Buch ihrer Enkelin geschenkt und weil es das Buch nur auf russisch gibt, musste sie es übersetzen - YouTube

Webseiten der Autorin

Samstag, 4. April 2009

Bäume - wissenschaftlich und märchenhaft

Dietrich Böhlmann
Warum Bäume nicht in den Himmel wachsen - Eine Einführung in das Leben unserer Gehölze
Quelle & Maier Verlag, 2009, 384 S., 493 farb. Abb., 5 Tab., gb. mit Fadenheftung, ISBN: 978-3-494-01420-3, Einführungspreis € 19,95 (später € 24,95)
Ebenso spannend wie verständlich beschreibt der Autor dieses Buches die Biologie unserer Gehölze in all ihren Facetten. Er läßt dabei Einblicke zu, die gleichermaßen erhellend wie faszinierend sind. Neben den verschiedenen Ausprägungen des Baumwachstums werden unterschiedliche Fortpflanzungs-modelle beschrieben und aufgezeigt, warum bereits die innere Struktur einer einzigen Zelle verantwortlich sein kann für Wuchshöhe und Standfestigkeit eines Baumes. Auch die Anpassungsfähigkeit unserer Gehölze an die unterschiedlichsten Umwelt- und Standortbedingungen und die kompletten Überlebensstrategien werden dabei berücksichtigt. Einzigartig ist die Vielzahl von Abbildungen und Fotos, mit deren Hilfe komplexe physiologische Prozesse auf äußerst anschauliche Weise dargestellt werden. Somit werden angehende und fortgeschrittene Gehölzkundler ebenso angesprochen wie natur-interessierte Laien, die mit Hilfe dieses Buches eine völlig neue Sichtweise auf das faszinierende Leben unserer Gehölze erhalten.
Rezension Deutschlandfunk (Auszug): " ... Der höchste Baum ist fast 120 Meter hoch und steht in Kalifornien. Ein Mammutbaum diese Art war schon auf der Erde verbreitet, als es noch Saurier gab. Maximal 150 Meter hoch kann ein Baum werden, haben Wissenschaftler errechnet, dann kollabiert sein internes Versorgungssystem. Von der Wurzel bis in die Baumkrone sorgt ein kompliziertes Leitungssystem dafür, dass ausreichend Wasser und Nährstoffe den Baum bis in alle Äste und Blätter erreichen. Eine spezielle Pumptechnik der Wurzeln ermöglicht, dass ausreichend Druck aufgebaut wird, um das Wasser weiter zu transportieren. Durch die Verdunstung des Wassers in den Blättern wird der Sog aufrechterhalten. Ein ausgeklügelte System, das bis zu 150 Metern Höhe stabil ist. Alles hat seine Grenzen, auch in der Natur. Und deshalb wachsen Bäume nicht in den Himmel ... Neben Erstaunlichem, wie zum Beispiel der Tatsache, dass die Struktur einer einzigen Zelle für Standfestigkeit eines Baumes verantwortlich ist, liefert das Buch einen aktuellen Überblick über die grundsätzlichen wissenschaftlichen Themen der Botanik: Aufbau, Vegetation, Vorkommen und Fortpflanzung von Bäumen, all dies wird in kurzen und klar formulierten Kapiteln besprochen ... " Zur Rezension - In diesem Blog siehe auch Baumzauber - Mythen und Märchen

Die Dichterin Mascha Kaléko

Jutta Rosenkranz
Mascha Kaléko
- Biografie

dtv, Mit 26 s/w-Abbildungen, 300 S., ISBN 978-3-423-24591-3, Euro 14,50 [D], 15,00 [A], sFr 25,20
Zum 100. Geburtstag von Mascha Kaléko: Leben und Werk der erfolgreichsten deutschsprachigen Lyrikerin des 20. Jahrhunderts. Mascha Kaléko wurde um 1930 in Berlin bekannt, sie gehörte zur künstlerischen Bohème um Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Werner Finck und andere. Ihre ironischen, witzigen und gefühlvollen Großstadtverse werden geliebt.

... Ich war ein kluges Embryo,
Ich wollte nicht auf die Welt.
Nach zehn Monaten erst und
Vollen zehn Tagen
Erbarmte ich mich der jammernden Mutter
Und suchte den Weg ins Unfreie.
(…)
Genug, an einem Junimorgen,
Im Monat der Rosen, im Zeichen der »Zwillinge«,
Bei Glockengeläut um fünf Uhr früh
Gab ich zögernd den Widerstand auf
Und verließ mein provisorisches Domizil.
(…) (Auto(r)biografisches)

Aus: "Langschläfers Morgenlied"

Der Wecker surrt. Das alberne Geknatter
Reißt mir das schönste Stück des Traums entzwei.
Ein fleißig Radio übt schon sein Geschnatter.
Pitt äußert, daß es Zeit zum Aufstehn sei.

Mir ist vor Frühaufstehern immer bange.
… Das können keine wackern Männer sein:
Ein guter Mensch schläft meistens gern und lange.
— Ich bild mir diesbezüglich etwas ein …

Das mit der goldgeschmückten Morgenstunde
Hat sicher nur das Lesebuch erdacht ...

... Weiter und mehr auf den Webseiten für die Autorin

Mittwoch, 1. April 2009

Mail von Liza aus Wolgograd

Lieber Herr Hellbart, teure Blogg-Freunde,

nun habe ich endlich frei! Morgen gehe ich zur Schule und darauf freue ich mich komischerweise. Ferien bedeuten Erntezeit fuer mich. Da, in den Ferien, lerne ich den ganzen Tag. Ich stehe auf und gehe in die Malschule, und dann folgen Mathe, Landeskunde und Vorbereitungen auf mehrere Pruefungen und Olympiaden.

Schule lob' ich mir, denn sie gibt uns die Moeglichket, sechs Stunden lang einfach da zu sitzen und zu fuehlen, daß man etwas lernt, wobei man eigentlich nur "belehrt" wird. Ein deutscher Paedagoge bzw. "Antipaedagoge", Ekkehard von Braunmuehl, schrieb in seinem Buch “Zeit fuer Kinder”: “Das Lernen eines Kindes ist eine wuerdevolle, eine heilige Sache. Es durch (Be)-Lehren zu stoeren, ist eine schmachvolle Suende”.

Damit will ich keinesweges den Spiess in die Richtung der Lehrer drehen. Ich benoetige so oft eine Lehrerschulter, um mich auf sie zu stuetzen, aber keiner bietet sie mir an. Ich bin fast komplett Autodidakt. Deutsch bringe ich mir seit einigen Jahren selber bei, Mathe lerne ich ebenfalls extern … Vielleicht spricht in mir ein bisschen der Neid auf die Kinder und jungen Leute, die einen Lehrer haben. Oh, dreimal gluecklich sind mir die, die gar einen deutschsprachigen Lehrer haben. (Herr Hellbart war ja auch als Deutsch-Paedagoge in Russland taetig). Aber ich bin dem Schicksal dafuer dankbar, dass er mir diese totale Selbstbildung als eine Probe schickte.

Ihr kennt ja das deutsche Sprichwort “Lehrjahre sind keine Herrenjahre”. Das ist vollkommen richtig. Aber Lernjahre sind vielleicht doch Herrenjahre. Klar, auch Herrschaften haben es nicht immer leicht, aber wer lernt, ist immer aktiv. Und wer aktiv ist, ist Herr der Lage!

Mit Fruehlingsgruessen
Liza D.