Dienstag, 3. November 2009

Noras Leben ändert sich

Mark O’Sullivan
Eine Melodie für Nora
ab 13 Jahren, 220 S., geb. mit Schutzumschlag, ISBN-10: 3-7725-1731-5, ISBN-13: 978-3-7725-1731-0, 14,50 EUR
Nora ist ein beherztes Mädchen, das mit einer Begabung gesegnet ist: Sie ist hoch musikalisch und spielt ausgezeichnet Klavier. Als sie vierzehn ist, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende: Während in Irland der Bürgerkrieg ausbricht, stirbt ihre Mutter, die für Noras Talent immer Opfer gebracht hat. Nora schwört sich, nie mehr Klavier zu spielen!
Die Mutter war auch ihre Verbündete gegen den haltlosen Vater, der sich in seiner Trunksucht nicht in der Lage sieht, Nora und ihre kleinen Brüder zu versorgen. Er gibt die Kinder zu Verwandten – die Brüder nach Amerika und Nora nach Tipperary zu der Schwester ihrer Mutter und deren Mann. Nora wehrt sich zunächst verzweifelt gegen das neue Leben, das jedoch einige Überraschungen für sie bereithält. Onkel und Tante bemühen sich liebevoll um das widerspenstige junge Mädchen. Sie verstehen Noras Kummer. Und dann ist da noch das Kino, das der Onkel im Hinterhaus seines Ladens betreibt und in dem der geheimnisvolle Alec als Klavierbegleiter auftritt. Unwillig lauscht Nora seinem virtuosen Spiel. Beunruhigender ist das, was sie über Jack, den Bruder ihres Onkels, hört: man munkelt, dass er zu den irischen Freischärlern gehört! Nora ist entsetzt. Recht und Unrecht scheinen für sie eindeutig definierbar zu sein. Die Freischärler sind Verbrecher! Ganz gegen ihren Willen wird Nora in den Strudel der Ereignisse gerissen. Tapfer stellt sie sich den äußeren wie inneren Anforderungen und lernt, dass es oft schwierig ist, klare Trennungen zwischen Gut und Böse zu ziehen.
Leseprobe: «Noch während sie spielte, war Nora überzeugt, sie habe sich nur eingebildet, dass ihre Mutter und ihr Vater und die beiden Jungen jemals existiert hatten. Sie wusste nicht, woher sie kam und wohin sie ging. Nur einer Sache war sie sich sicher: Dicht hinter ihr stand jemand, beobachtete sie, hörte zu. Mrs. Teehan, ihre Klavierlehrerin, konnte dieser Eindringling nicht sein, denn vor ihr hatte sie sich nie gefürchtet. Auch der langnasige Prüfer mit der pedantischen Fistelstimme, dem sie im letzten Monat vorgespielt hatte, konnte es nicht sein. Es war ohne Zweifel ein Mann, aber einer, dem sie noch nie begegnet war. Sie wusste, dieser Fremde war noch jung, aber er war unter den Sorgen und Kümmernissen seines Lebens rasch gealtert. Er mochte grausam sein oder freundlich oder beides.
Sie kämpfte mit sich, ob sie sich umdrehen und ihm sagen sollte, er möge verschwinden, oder ob es besser war weiterzuspielen, um herauszufinden, wie das Musikstück endete. Und dann plötzlich, vor ihren Blicken, fingen ihre Finger beim Spielen zu bluten an. Sie empfand keinen Schmerz, auch verlangsamte sie das Tempo des Walzers nicht. Da war nichts außer absolutem Entsetzen. Hilfesuchend wandte sie sich nach dem Fremden um, aber da war er verschwunden.
Als sie zu der Stelle hastete, wo er gestanden hatte, hörte sie einen dumpfen Schlag hinter sich. Sie schaute zurück und sah, dass der Klavierdeckel zugefallen war. Verzweifelt suchte sie ein Fenster oder eine Tür, durch die sie fliehen konnte, aber der Raum schloss sich immer enger um sie. Sie wurde von den flutenden Vorhängen wie von einem riesigen Spinnennetz eingewickelt.
Ihre Hand fiel blindlings auf kaltes, poliertes Holz und sie stieß es beiseite. Das Klavier glitt über den Boden hinweg und krachte mit ohrenbetäubendem Lärm durch den dichten Spitzenstoff und hinaus ins Nichts ...
Nora erwachte und schreckte hoch, als sie in der Ferne einen anderen lauten Knall hörte, der zu oft widerhallte, um wirklich ein Echo sein zu können. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und es wurde ihr bewusst, was in Wirklichkeit los war. Jene Männer und Frauen, die Seite an Seite für die Freiheit ihres Landes gekämpft hatten, schienen ihre Bosheit und ihren Hass nun gegeneinander zu kehren. Der von so vielen gefürchtete Bürgerkrieg war da.»

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